Freitag, 26. Dezember 2014

30. September - 2. Oktober: Im Eilzug über die Berge nach Hause

Also ich von Tschechien kommend in Linz ankam, war das zum erstenmal seit langer Zeit, dass ich in eine für meinen Geschmack richtig grosse Stadt kam. Verkehrschaos, kurz vor dem Kollaps. Ich fuhr gerade zur besten Zeit durch die Stadt, bei Feierabendverkehr...
Überall ist zu sehen womit Linz gross geworden ist: Voest Alpine, Magna usw. Auf einem Campingplatz etwas ausserhalb der Stadt finde ich dann mal etwas Ruhe vom Fahren. Doch Ruhe ist eigentlich der falsche Ausdruck, denn der Campingplatz liegt genau neben der Autobahn. Es war meine lauteste Übernachtung der ganzen Reise. Neben mir hat noch einer gezeltet. Ich habe ihn nie gesehen, dafür gehört. Sein Schnarchen hat sogar den Lärm der Autobahn übertroffen. Wer weiss, vielleicht lebte der auch da...

Am nächsten Tag fahre ich weiter Richtung Süden. Es herscht eine herbstliche, neblige Stimmung als ich nach Steyr fahre. Hier ist die Automobilindustrie wieder allgegenwärtig. BMW, Mercedes, Magna-Steyr, ZF usw.


Ich fahre durch herrliche Landschaften, gute Strassen immer weiter. Mein Zwischenziel ist Eisenerz und damit der Erzberg. Ein riesiges Abbaugebiet von Erz ist das, was die Landschaft prägt. Die touristischen Rundfahrten auf dem Areal finden heute nicht statt, also begnüge ich mich mit einem Mittagessen und fahre weiter. Von oben habe ich nochmals einen schönen Blick in das Abbaugebiet. Hier findet also jedes Jahr eines der bekanntesten Motorradrennen der Welt statt, dass Erzberg Rodeo. Faszinierend!



Mein Weg führt mich nun mehrheitlich über gut ausgebaute Hauptstrassen. Das heisst aber auch: viel Verkehr. Nicht mein bevorzugtes Terrain. Ich beschliesse also möglichst schnell nach Slowenien zu kommen. Vielleicht heute noch. Unterwegs entschliesse ich mich mal eine parallel verlaufendes Seitental anstatt der doppelspurigen Hauptstrasse zu fahren. In einem kleinen Dorf (Hüttenberg) sehe ich rechts über mir in der Felswand eine kühne Treppenkonstruktion.



Ich wende und stelle fest, dass hier der Geburtsort von Heinrich Harrer ist. Ein Museum ist auch da. Ich beschliesse diese Chance zu nutzen, um mehr über Harrer und sein Leben als Reisender und Abenteurer zu erfahren. Ich habe es nicht bereut. Ein wunderbare Sammlung wird gezeigt und ich erfuhr, dass Harrer die meiste Zeit in Mauren im Liechtenstein gelebt hat!





Nach meinem Museumsbesuch ziehe ich beeindruckt von den Abenteuern Harrers weiter nach Klagenfurt und dann das Loibltal hoch und durch den Tunnel nach Slowenien, wo ich mich auf einem ziemlich verlassen aussehenden Campingplatz einrichte.


Am nächten Morgen sehe ich dann, dass ich doch nicht ganz alleine auf dem Campingplatz bin. Ein ältere Dame aus Wien verbringt hier jeweils den Sommer in Ihrem Hauszelt und kümmert sich um den Campingplatz. Wir unterhalten uns gut. Das Wetter wird aber immer schlechter und just in dem Moment wo ich abfahre beginnt es auch schon zu regnen. Ich fahre also durch Slowenien bei Regen. Eines meiner absoluten Lieblingsländer verliert dadurch aber nicht seinen Reiz. Ich fahre kleinste Strässchen und Schotterwege immer Richtung Süden.





Eine Strecke die ich 2009 schon mit dem Patrol gefahren bin und die damals durch eine wunderschöne, schmale Strasse durch eine Schlucht in ein kleines Skigebiet geführt hat, ist heute nicht mehr wiederzuerkennen. "financed by EU", mehr muss ich dazu nicht sagen. Ein Wunder, dass sie die Schlucht nicht einfach weggesprengt haben um die doppelspurige Strasse durchzuziehen...

Über dem Berg finde ich durch Zufall wieder etwas faszinierendes: das Partisanenlazarett Franja. Durch einen Bach gelangt man durch eine Schlucht in ein gut verstecktes und (im zweiten Weltkrieg) gut bewachtes Lazarett. Ein Krankenhaus mitten im Wald. Dr. Franja Bojc Bidovec war die Ärztin, welche dieses Spital geführt hat. Ein sehr empfehlenswerter Ausflug (bei Cerkno), falls jemand mal in Slowenien unterwegs ist!








Ich esse einen vorzüglichen Fisch in einem Restaurant im Dorf, wenn auch die Preise seit meinen letzten Besuchen schon sehr angezogen haben.

Ich möchte heute noch ganz in den Süden kommen, um die Grenzkammstrasse zu fahren, was ich schon lange mal machen wollte.




Das Wetter ist immer noch sehr durchzogen, so dass ich mich unten angekommen entschliesse, die Schotterstrasse heute schon in Angriff zu nehmen. Eine tolle Landschaft. Grenzgebiet halt. Verlassen, aber doch immer wieder findet man Spuren der Menschen beiderseits der Grenzen.Weit im Westen sieht man grosse Kirchen auf den Hügeln, Italien. Durch kleinste Weiler fahre ich diesseits der Grenze in Slowenien. Am Abend schaffe ich es sogar noch bis ins Soca Tal, wo ich auch wieder übernachte.






Am nächsten Morgen fahre ich erstmal bis ans Ende des Soca Tales. Den Vrsic Pass gebe ich mir heute nicht. Ich wende und fahre zurück um über den Predil Pass nach Italien zu gelangen. Das Wetter ist um einiges besser als gestern bei meiner "Tour de Slovenia". Ich entschliesse mich vor dem Predil Pass rechts abzubiegen, um die Strasse zum Mangart zu fahren. Auch das etwas was ich schon lange machen wollte, bisher aber immer daran vorbei gefahren bin. Die Strasse führt bis auf  2005 m.ü.M. Dann steht man auf einem Parkplatz. Etwas oberhalb fällt eine Felswand senkrecht nach unten. Wenn man hier ausrutschen würde, fiele man direkt nach Italien...
Der Mangart ist einer der charakteristischen Gipfel der julischen Alpen. Leider sieht man den Berg nur sehr selten, da er meist in Wolken gehüllt ist. So auch heute. Ein Klettersteig, die Via Italiana führt die Nordwand hoch. Etwas für komplett Schwindelfreie, nicht nur so "Kjerag-Posser" wie mich...








Über den Predilpass, wo ich noch das alte Fort besichtige (auch zum erstenmal...), Sella Nevea und die immer wieder tolle Strasse durch das Val Raccolana gelange ich nach Chiusaforte und schliesslich nach Resiutta wo ich seit langem wieder einmal eine Lasagne esse.

Ich fahre nun etwas weiter südlich als auf meinen bisherigen Touren durch die Dolomiten nach Westen. Strassen und Pässe welche ich noch nie gefahren bin, deren Namen ich noch nie gehört habe. Praktisch kein Verkehr. Wunderbar! In Castello Tesino übernachte ich.







Heute soll es an den Gardasee gehen, um dann den berühmten Tremalzo zu fahren. Eine Schotterstrasse über einen Bergkamm, wovon ich einen Teil vor Jahren schon mal mit dem Bike gefahren bin. Doch der Reihe nach.

Kaum komme ich in die Nähe des Gardasees nimmt der Verkehr spürbar zu. In Riva dann das Chaos. Auf der Seestrasse am Westufer nach Süden, dann Kolonnenfahren hinter Wohnmobilen, Lastwagen, Autos und deutschen Motorrädern. Man wähnt sich wirklich in Deutschland, mit dem Unterschied, dass sich die Deutschen in Deutschland wesentlich normaler verhalten als hier in der deutschen Enklave "Gardasee". Endlich durch die Tunnels durch schlage ich mich rechts weg, hoch zum Einstieg in die Tremalzo Strasse. Doch was soll jetzt das??? Motorräder verboten!

Ich suche mir also einen anderen Weg nach Westen, fahre über schmale Strassen (die hier aber nicht wenig befahren sind...), werde von zwei deutschen Idioten im Auto fast abgeschossen. Mir reichts.






Über eine kleine Verbindungsstrasse will ich mich zum Idro See durchkämpfen. Kämpfen ist der richtige Ausdruck. Ich komme mir je länger je mehr vor wie in einem Krieg. Es hat viele Motorradfahrer unterwegs. Durchwegs mit deutschen Nummerschildern. Gefahren wird auf Teufel komm raus. Nach mir die Sintflut. Mehrere Male muss ich meine Spur verlassen um einen Zusammenstoss zu vermeiden. Ich schäme mich dafür auch ein Motorradfahrer zu sein. Ich kann es nicht verstehen, wieso man so leichtsinnig und verantwortungslos fahren kann. Nur weil man hier in Italien ist und da sowieso alle so fahren?!? Übrigens, ich habe nur Deutsche so verantwortungslos fahren sehen! Ich habe nichts gegen Deutsche, aber am Gardasee scheinen sich alle Arschlöcher aus dem ganzen Land versammelt zu haben...

Es kotzt mich an. Ich habe die Schnauze gestrichen voll. So wird aus meiner geplanten, langsamen Heimfahrt über die tollen Pässe Italiens meine längste Fahrt der Reise. Ich fahre durch über Passo Croce Domini, Edolo, Aprica, Tirano, Bernina Pass, Engadin, Flüela Pass bis nach Hause. So war das nicht geplant...





Nach knapp zwei Monaten ist die Reise also zu Ende. Es war eine gute Reise. Sie hat mir persönlich viel gebracht. Ich habe viel gelernt, über die Welt, die einzelnen Länder, die Leute und über mich.

Nun steht mein nächstes Reiseprojekt an, der Appalachian Trail. Ich freue mich auf eine vollkommen neue Herausforderung: 5-6 Monate, zu Fuss, 3500-3600 Kilometer, Rucksack und Hängematte, von Georgia bis Maine.


Zum Schluss noch zwei Bilder zu meiner Ausrüstung. Das erste Bild zeigt was ich alles mitgenommen hatte, das zweite was ich von all dem Zeug wirklich gebraucht habe. Ich hätte die Hälfte zu Hause lassen können...